Re: Interessantes aus dem Alltag
Verfasst: Fr 6. Jan 2023, 15:37:33
Default bias oder Default-Effekt -
den Ausdruck hörte ich zuerst von Harald Lesch in einem der Videos, die wir hier schon hatten. Der Ausdruck kommt zunächst einmal daher, dass die Mehrheit der Menschen Voreinstellungen am Handy oder am PC belassen, weil sie davon ausgehen, dass die dann schon stimmen müssten. Dabei stellen die Firmen natürlich die Geräte so ein, dass sie beispielsweise möglichst viele Daten abgreifen können, was natürlich nicht im Interesse des Benutzeres ist.
Aber warum ist das so? Es gibt da verschiedene Gründe. In erster Linie ist da die Bequemlichkeit, dann die "transaction costs", am häufigsten wohl der Zeitaufwand, die Empfehlungen Dritter ("Nudging", und hier insbesondere Werbung!), "Qual der Wahl" (wiederum eine Frage der Bequemlichkeit, da es ja unbequem ist, wenn man sich der "Qual der Wahl" aussetzt), Status Quo Verzerrung (im Bayerischen unter dem Satz "Des ham ma oiwei scho so gmacht" bzw. "Das haben wir immer schon so gemacht" bekannt, und auch die Verlustaversion.
Der Effekt als solcher kam mir aber bekannt vor, und nicht nur im Zusammenhang mit elektronischen Geräten. Sondern der kommt im Leben immer wieder. So zum Beispiel gehen viele Menschen davon aus, dass etwas, das ein bestimmter Mensch sagt, den sie mögen, von vorneherein richtig sein muss. Das erklärt, warum so viele Leute dem orangenen Reptiloid an den Lippen hängen oder in früheren Zeiten beispielsweise auch Hiitler.
Aber auch im Kleineren kann man das festsstellen. Ich hatte es in der Schule schon feststellen können: Generell wurde im Konfliktfall sehr viel häufiger den Lehrer*innen geglaubt als den Schüler*innen. Bei meinem Schulleiter im Gymnasium war das so ausgeprägt, dass er generell alles, was die Schüler*innen zu ihrer Verteidigung vorbrachten, als Schutzbehauptung abtat.
Einmal, das müsste in der 10. Klasse gewesen sein, rannte die Kunstlehrerin, Frau N., zum Schulleiter, Herrn H., und erzählte ihm, dass einer meiner Mitschüler sich geweigert habe, zum Nachsitzen zu kommen. Dabei hatte er ihr zweimal gesagt, dass er an dem Wochentag,auf dem Frau N. bestand, nicht konnte, weil er da Tennistraining hatte. Sie hätte also 4 weitere Wochentage zur Verfügung gehabt, an denen sie meinen Mitschüler hätte zum Nachsitzen bestellen können. Nun war ich zwar bei dem Gespräch zwischen Frau N. und Herrn H. nicht dabei, aber ich gehe schwer davon aus, dass sie ihm diesen durchaus wichtigen Fakt vorenthielt. Dass aber der Mitschüler Frau N. sofort gesagt hatte, dass er an dem Wochentag nicht konnte und dass er aber absolut bereit sei zum Nachsitzen, das hatte ich mitbekommen, weil sich das in der Klasse während des Unterrichts ereignete. Das kann ich also bezeugen. Schließlich schnappte sich eines Tages Herr H. meinen Mitschüler und machte ihn nach Strich und Faden fertig, weil er sich geweigert habe, zum Nachsitzen zu kommen, und natürlich glaubte er ihm nicht, dass er Frau N. gesagt habe, dass er an dem bestimmten Wochentag nicht könne, und dem H. war das Tennistraining sowieso egal. Jedenfalls machte er den Mitschüler ziemlich fertig, drohte ihm mit Rauswurf und so weiter. Ich weiß das daher, weil mein Mitschüler dann weinend (wohlgemerkt, ein 16Jähriger in Tränen aufgelöst, da kann man sich vorstellen, wie der Schulleiter mit ihm umgegangen ist) in den Prüfungsraum, wo wir an dem Tag eine wichtige Prüfung zu schreiben hatten (hieß Zulassungsprüfung zur Feststellungsprufung, da ging's um die Mittlere Reife). Und da er sich in einem psychischen Ausnahmezustand befand, verhaute er prompt die Prüfung. Die Eltern gingen dann zu Herrn H. und versuchten, ihm noch einmal die Lage zu erklären und zu erreichen, dass er die Prüfung wiederholen durfte. Das wurde ihm aber nicht gestattet und der H. bestand auch auf der strengen Bestrafung. Daraufhin nahmen die Eltern ihn von der Schule.
Das war nicht der einzige Fall, den ich mitbekommen habe, in dem Herr H. den Lehrer*innen uneingeschränkt glaubte, den Schüler*innen aber nicht.
Damit soll einmal dargestellt werden, was der Default-Effekt, d. h. in dem Fall, dass einer bestimmten Person oder Gruppe generell immer geglaubt wird, einer anderen aber generell nicht, im richtigen Leben anrichten kann.
Ich denke, dass man das auch häufig im Berufsleben merken kann, auch da ist es oft so, dass der Chef bestimmte Leute hat, die er mag und schätzt und denen er generell glaubt. Das kann von den betreffenden Personen, wie im obigen Fall von der Lehrerin, ausgenutzt werden, indem sie dem Chef ein falsches oder unvollständiges Narrativ übermittelt (weglassen ist auch eine Art von Lügen) und so eine andere Person schädigt.
Was ich daraus gelernt habe, und zwar damals schon, das ist, dass man immer selber denken muss, nicht einfach das tun, was einem gesagt wird, nicht einfach alles glauben, sondern alles hinterfragen. Dazu muss man aber, wenn es z. B. um Dinge geht wie Politik, Energie, Gesundheit etc., seriöse Quellen heran ziehen. Und im Falle, dass es menschliche Interaktion betrifft, muss man Informationen von allen Seiten einholen, d. h. man muss z. B. in einem Konflikt mit beiden Seiten reden und ggf. auch mit Zeugen. Im obigen Fall heißt das, der/die Lehrer*in hat eben nicht immer Recht, aber der/die Schüler*in auch nicht immer unrecht.
Wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht, wird man den Default-Effekt immer wieder in den verschiedensten Lebenslagen feststellen können. Kein Mensch kann sich zu 100% davon befreien, aber man kann es wenigstens versuchen. Und man sollte es versuchen, auch wenn das in der Regel heißt, dass man dann eben nicht den bequemen Weg geht.
https://www.anti-bias.eu/anti-bias-stra ... e/default/
https://de.wikipedia.org/wiki/Default-Effekt
den Ausdruck hörte ich zuerst von Harald Lesch in einem der Videos, die wir hier schon hatten. Der Ausdruck kommt zunächst einmal daher, dass die Mehrheit der Menschen Voreinstellungen am Handy oder am PC belassen, weil sie davon ausgehen, dass die dann schon stimmen müssten. Dabei stellen die Firmen natürlich die Geräte so ein, dass sie beispielsweise möglichst viele Daten abgreifen können, was natürlich nicht im Interesse des Benutzeres ist.
Aber warum ist das so? Es gibt da verschiedene Gründe. In erster Linie ist da die Bequemlichkeit, dann die "transaction costs", am häufigsten wohl der Zeitaufwand, die Empfehlungen Dritter ("Nudging", und hier insbesondere Werbung!), "Qual der Wahl" (wiederum eine Frage der Bequemlichkeit, da es ja unbequem ist, wenn man sich der "Qual der Wahl" aussetzt), Status Quo Verzerrung (im Bayerischen unter dem Satz "Des ham ma oiwei scho so gmacht" bzw. "Das haben wir immer schon so gemacht" bekannt, und auch die Verlustaversion.
Der Effekt als solcher kam mir aber bekannt vor, und nicht nur im Zusammenhang mit elektronischen Geräten. Sondern der kommt im Leben immer wieder. So zum Beispiel gehen viele Menschen davon aus, dass etwas, das ein bestimmter Mensch sagt, den sie mögen, von vorneherein richtig sein muss. Das erklärt, warum so viele Leute dem orangenen Reptiloid an den Lippen hängen oder in früheren Zeiten beispielsweise auch Hiitler.
Aber auch im Kleineren kann man das festsstellen. Ich hatte es in der Schule schon feststellen können: Generell wurde im Konfliktfall sehr viel häufiger den Lehrer*innen geglaubt als den Schüler*innen. Bei meinem Schulleiter im Gymnasium war das so ausgeprägt, dass er generell alles, was die Schüler*innen zu ihrer Verteidigung vorbrachten, als Schutzbehauptung abtat.
Einmal, das müsste in der 10. Klasse gewesen sein, rannte die Kunstlehrerin, Frau N., zum Schulleiter, Herrn H., und erzählte ihm, dass einer meiner Mitschüler sich geweigert habe, zum Nachsitzen zu kommen. Dabei hatte er ihr zweimal gesagt, dass er an dem Wochentag,auf dem Frau N. bestand, nicht konnte, weil er da Tennistraining hatte. Sie hätte also 4 weitere Wochentage zur Verfügung gehabt, an denen sie meinen Mitschüler hätte zum Nachsitzen bestellen können. Nun war ich zwar bei dem Gespräch zwischen Frau N. und Herrn H. nicht dabei, aber ich gehe schwer davon aus, dass sie ihm diesen durchaus wichtigen Fakt vorenthielt. Dass aber der Mitschüler Frau N. sofort gesagt hatte, dass er an dem Wochentag nicht konnte und dass er aber absolut bereit sei zum Nachsitzen, das hatte ich mitbekommen, weil sich das in der Klasse während des Unterrichts ereignete. Das kann ich also bezeugen. Schließlich schnappte sich eines Tages Herr H. meinen Mitschüler und machte ihn nach Strich und Faden fertig, weil er sich geweigert habe, zum Nachsitzen zu kommen, und natürlich glaubte er ihm nicht, dass er Frau N. gesagt habe, dass er an dem bestimmten Wochentag nicht könne, und dem H. war das Tennistraining sowieso egal. Jedenfalls machte er den Mitschüler ziemlich fertig, drohte ihm mit Rauswurf und so weiter. Ich weiß das daher, weil mein Mitschüler dann weinend (wohlgemerkt, ein 16Jähriger in Tränen aufgelöst, da kann man sich vorstellen, wie der Schulleiter mit ihm umgegangen ist) in den Prüfungsraum, wo wir an dem Tag eine wichtige Prüfung zu schreiben hatten (hieß Zulassungsprüfung zur Feststellungsprufung, da ging's um die Mittlere Reife). Und da er sich in einem psychischen Ausnahmezustand befand, verhaute er prompt die Prüfung. Die Eltern gingen dann zu Herrn H. und versuchten, ihm noch einmal die Lage zu erklären und zu erreichen, dass er die Prüfung wiederholen durfte. Das wurde ihm aber nicht gestattet und der H. bestand auch auf der strengen Bestrafung. Daraufhin nahmen die Eltern ihn von der Schule.
Das war nicht der einzige Fall, den ich mitbekommen habe, in dem Herr H. den Lehrer*innen uneingeschränkt glaubte, den Schüler*innen aber nicht.
Damit soll einmal dargestellt werden, was der Default-Effekt, d. h. in dem Fall, dass einer bestimmten Person oder Gruppe generell immer geglaubt wird, einer anderen aber generell nicht, im richtigen Leben anrichten kann.
Ich denke, dass man das auch häufig im Berufsleben merken kann, auch da ist es oft so, dass der Chef bestimmte Leute hat, die er mag und schätzt und denen er generell glaubt. Das kann von den betreffenden Personen, wie im obigen Fall von der Lehrerin, ausgenutzt werden, indem sie dem Chef ein falsches oder unvollständiges Narrativ übermittelt (weglassen ist auch eine Art von Lügen) und so eine andere Person schädigt.
Was ich daraus gelernt habe, und zwar damals schon, das ist, dass man immer selber denken muss, nicht einfach das tun, was einem gesagt wird, nicht einfach alles glauben, sondern alles hinterfragen. Dazu muss man aber, wenn es z. B. um Dinge geht wie Politik, Energie, Gesundheit etc., seriöse Quellen heran ziehen. Und im Falle, dass es menschliche Interaktion betrifft, muss man Informationen von allen Seiten einholen, d. h. man muss z. B. in einem Konflikt mit beiden Seiten reden und ggf. auch mit Zeugen. Im obigen Fall heißt das, der/die Lehrer*in hat eben nicht immer Recht, aber der/die Schüler*in auch nicht immer unrecht.
Wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht, wird man den Default-Effekt immer wieder in den verschiedensten Lebenslagen feststellen können. Kein Mensch kann sich zu 100% davon befreien, aber man kann es wenigstens versuchen. Und man sollte es versuchen, auch wenn das in der Regel heißt, dass man dann eben nicht den bequemen Weg geht.
https://www.anti-bias.eu/anti-bias-stra ... e/default/
https://de.wikipedia.org/wiki/Default-Effekt